Dynamik und Ökologie von Schelfmeersystemen
Die interdisziplinäre Erforschung der Schelfmeerdynamik am Institut befasst sich mit der Entwicklung von Modellen des marinen Ökosystems und deren Anwendung zur Untersuchung der Wechselwirkung zwischen physikalischen und biogeochemischen Prozessen. Regional liegt das Schwergewicht dieser Arbeiten in Nord- und Ostsee. Jedoch werden die Modelle in Kooperationen mit ausländischen Partnern auf andere Schelfregionen, Küstengewässer und Ästuare übertragen.
Schelfregionen
Die Schelfregionen spielen unter anderem eine wichtige Rolle in der Kopplung zwischen nordwesteuropäischem Festland und Nordatlantik. Dies betrifft Frischwasser, Kohlenstoff und andere Substanzen, die über das Schelfmeer vom Kontinent in den offenen Ozean transportiert und auf ihrem Weg modifiziert werden. Eine wichtige Rolle spielt der Austausch und Umsatz von Nährsalzen auf dem Schelf bei der Umsetzung von Stoffkreisläufen. Der Zustand der Schelfmeere ist dabei in hohem Maße von den Einträgen über Atmosphäre und Flüsse vom Festland abhängig. Die Auswirkungen von Maßnahmen eines Managements für Küstenregionen auf die Stoffkreisläufe des marinen Ökosystems werden, neben dem alljährlich erfolgenden Umwelt-Monitoring, mit mathematischen Modellen erfasst und analysiert. Dazu werden am IfM Modell-Szenarien von Realisierungen dieser Maßnahmen berechnet und deren Folgen anhand von Indikatoren abgeschätzt.
Modellierung des marinen Ökosystems
Ein interessanter Aspekt unserer Untersuchungen betrifft die Funktionsweise des marinen Ökosystems unter der Einwirkung seiner physikalischen Umwelt. So konnte erstmals der Einfluss der winterlichen Konvektion auf die Primärproduktion in dem Modell ECOHAM (s.u.) parametrisiert werden. Das Modell sagt die Existenz eines winterlichen Bestandes an ozeanischem Phytoplankton vorher, dessen Biomasse mit der sommerlichen vergleichbar ist. Ohne die neue Parametrisierung der Konvektion konnte diese Biomasse nicht modelliert werden. Die Wirkung der Konvektion auf die Primärproduktion wurde von uns zunächst auf dem Schelf nachgewiesen und später auf den Ozean übertragen wo sie inzwischen durch Beobachtungen bestätigt wurde. Die Rolle des winterlichen Plankton-Bestandes bei der Exportproduktion und damit bei der klimarelevanten CO2-Bilanz des Ozeans wird Gegenstand unserer zukünftigen Arbeiten sein.
HAMSOM und ECOHAM
Zu den existierenden Modellsystemen für die Simulation der Schelfmeerzirkulation auf Skalen von Stunden bis Jahrzehnten gehört das bewährte, am IfM entwickelte Modell HAMSOM (Hamburg Shelf Ocean Model), das bei uns seit 1985 kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt wird und in zahlreichen Partnerinstituten weltweit Verwendung findet. Dies obwohl es inzwischen zahlreiche jüngere Konkurrenten gefunden hat. Eine gekoppelte Version ging hervor aus der Vereinigung von HAMSOM und dem Ökosystem-Modell für Plankton- und Nährstoffdynamik ECOHAM (ECOsystem Model HAMburg). Weiterführende Modellentwicklungen bei ECOHAM schließen Module für das Zooplankton, eine gekoppelte anorganische und organische Kohlenstoffdynamik, sowie Sauerstoffbilanz und Schwebstoffdynamik ein. Das gleichfalls im Hause entwickelte Modell VOM (Vector-Ocean-Model), die jüngere Schwester von HAMSOM, erlaubt eine prozessorientierte Erhöhung der vertikalen Auflösung an topographischen Abhängen und am Meeresboden. Damit lassen sich ohne eine Koordinatentransformation Randströme und der Austausch zwischen Schelf und Ozean realistischer simulieren. Eine Variante des Modells, VOM-SW(SW: Shallow Water), erlaubt dreidimensionale Simulationen im Wattenmeer bei denen das gesamte Gitter trocken fallen kann. Damit ist die Voraussetzung zur Modellierung des Stoff- und Wärmeaustausches an der Grenze zwischen Sediment, Wasser und Atmosphäre geschaffen.
Text verfasst von Prof. Dr. Jan Backhaus, Udo Hübner und Dr. Johannes Pätsch